Das Compact-Urteil des BVerwG

Das BVerwG hat dem Antrag des Compact-Magazins auf Gewährung einstweiligen Rechtschutzes gegen das gegen sie gerichtete Vereinsverbot stattgegeben. Doch wesentliche Fragen bleiben weiterhin ungeklärt.

Mit Urteil vom 14. August 2024, – 6 A 1.19 –, hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) einstweilig über das gegen die Herausgebergesellschaft des Compact-Magazins gerichtete Vereinsverbot des Bundesinnenministeriums entschieden. Es hat dem Antrag der Compact-Magazin GmbH auf Aufhebung der sofortigen Vollziehbarkeit stattgegeben und so die Wirkung der Verbotsverfügung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens aufgehoben. Das Compact-Magazin darf somit zunächst weiter erscheinen.

Im Zentrum der Entscheidung standen insbesondere zwei rechtliche Fragen: Einerseits die Anwendbarkeit des Vereinsrechts für das Verbot von Presseorganen, andererseits die materiellen Voraussetzungen eines Vereinsverbotes im Falle des Compact-Herausgebergesellschaft. Nur zu ersterer Frage hat sich das BVerwG in der Entscheidung zum Compact-Magazin eindeutig positioniert.

Vereinsfestigkeit der Presse?

Die Zuständigkeit für das Presserecht liegt in Deutschland seit der Föderalismusreform gänzlich bei den Ländern (zuvor konnte der Bund gemäß Art. 75 Abs. 1 Nr. 2 GG a.F. immerhin noch sog. „Rahmenvorschriften“ für das Presserecht erlassen; vgl. Dreier/Wittreck, 3. Aufl. 2015, GG Art. 70 Rn. 15). Der Bund hat nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 3 GG allerdings die Kompetenz zur Regelung des Vereinsrechts. Auch Presseerzeugnisse werden regelmäßig von Wirtschaftsunternehmen herausgegeben, die gemäß § 17 VereinsG grundsätzlich dem Vereinsrecht unterliegen und verboten werden können, wenn sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten. Da Gegenstand eines Vereinsverbotes nicht nur die formale Struktur des Vereins, sondern auch dessen Betätigung ist (BVerwG, Urt. v. 4. November 2016 – 1 A 6/15 –, Rn. 37), folgt aus dem Verbot eines Presseunternehmens indirekt auch ein Verbot des Presseerzeugnisses. Intensiv diskutiert war und ist deshalb die Frage, ob es dem Bund erlaubt ist, Presseorgane über den „Umweg“ des Vereinsrechts zu verbieten oder ob es eine „Vereinsfestigkeit“ der Presse geben muss.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat sich mit dieser Frage noch nicht ausführlich auseinandergesetzt, aber bisher daran festgehalten, Vereinsverbote auch dann vorrangig am Maßstab der Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 Abs. 2 GG zu prüfen, wenn die Presse- und Meinungsfreiheit mitbetroffen ist. Genannte Grundrechte sollen laut BVerfG lediglich innerhalb des Prüfungsmaßstabes von Art. 9 GG wertungsmäßige Berücksichtigung finden (BVerfG, Beschl. v. 1.02.2023, – 1 BvR 1336/20 –, Rn. 93). Diese Rechtsprechung stammt allerdings aus einem Urteil über das Verbot der „Hells Angels“, also eines Vereins, in dem die Pressearbeit nicht den Schwerpunkt, sondern bloß einen „Annex“ zu der sonstigen Vereinstätigkeit bildete.

Das Vereinsrecht bietet für eine ausführliche Prüfung von Art. 5 Abs. 1 GG indessen kaum Raum. Die Feststellung über ein Vereinsverbot nach Art. 9 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 S. 1 VereinsG ist eine gebundene Entscheidung, hinsichtlich der der Behörde kein Ermessen zusteht (Nomos-BR/Groh VereinsG/Groh, 2. Aufl. 2021, VereinsG § 3 Rn. 7). Die dogmatischen Besonderheiten der Pressefreiheit und Verhältnismäßigkeitserwägungen können damit allenfalls auf Tatbestandsebene einfließen, nicht auch auf Rechtsfolgenseite. Schon deshalb wird teilweise die Anwendung des Vereinsrechts als ungeeignet für das Verbot von Presseorganen angesehen (vgl. Rhein-Fischer, Zeitungsverbot durch die Hintertür?: Zum Compact-Verbot, VerfBlog, 2024/7/19).

Doch einer Vereinsfestigkeit des Presserechts hat das BVerwG bereits 2020 in seiner Entscheidung zum Verbot des Vereins „linksunten.indimedia“ eine Absage erteilt (zur ganzen Judikatur des BVerwG zum Verbot von Presseunternehmen Lukosek, Warum das Compact-Verbot auf Grundlage des Vereinsrechts ergehen konnte: Eine Tour d'Horizon durch bisherige Verbotsentscheidungen, VerfBlog, 2024/7/22). Auch dieses Verbot zielte weniger auf ein Verbot der Vereinsstrukturen als solcher, sondern vorwiegend auf die Internetseite linksunten.indimedia.de, die in linksextremen Kreisen sowohl für journalistische Berichte als auch zum Aufruf und zur Anleitung zur Gewalt genutzt wurde. Das Bundesverwaltungsgericht stellte sich damals auf den Standpunkt, ein Vereinsverbot sei gleichwohl möglich, da Regelungsgegenstand nicht die Internetseite, sondern die dahinter stehende Organisation sei (BVerwG, Urt. v. 29.01.2020, – 6 A 1.19 –, Rn. 33 ff.). Die Betroffenheit der Pressefreiheit sei für die Anwendbarkeit des Vereinsrechts ohne Bedeutung und erst auf Ebene der Prüfung der Verbotsgründe zu berücksichtigen (Rn. 34). Eine dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG als unsubstantiiert zurückgewiesen, sich in dem Beschluss aber zur Anwendung des Vereinsrechts auf Presseunternehmen nicht geäußert (BVerfG, Beschl. v. 1.02.2023, – 1 BvR 1336/20 –).

Das BVerwG hat seine Linie aus dem „linksunten.indimedia"-Urteil nun in der Compact-Entscheidung bestätigt. Es erhebt damit gegen die Anwendung des Vereinsrechts auf Presseunternehmen keine grundsätzlichen Einwände. Eine Klärung der Frage durch das BVerfG steht weiterhin aus.

Die materiellen Voraussetzungen eines Vereinsverbotes

Damit war und ist für das Compact-Verfahren entscheidend, ob das BVerwG die materiellen Voraussetzungen eines Vereinsverbotes als gegeben ansieht. Diese ergeben sich aus Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 S. 1 VereinsG. Erforderlich ist danach, dass ein Verein nach seinen Zwecken oder Tätigkeiten den Strafgesetzen zuwiderläuft oder sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Nach der Rechtsprechung des BVerfG muss ein Verein, um den Verbotstatbestand zu erfüllen, dabei zudem eine kämpferisch-aggressive Haltung einnehmen (BVerfG, Beschl. v. 1.02.2023, – 1 BvR 1336/20 –, Rn. 107 ff). Diese Voraussetzungen, argumentiert das Innenministerium, seien mit Blick auf die Inhalte des Compact-Magazins erfüllt. Darin würde ein völkisch-nationales Gesellschaftskonzept propagiert und Narrative des „Großen Austauschs“ und der „Remigration“ bedient, zudem Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus.

Das BVerwG sah nun ebenfalls Anhaltspunkte insbesondere für eine Verletzung der Menschenwürde und eine kämpferisch aggressive Haltung gegenüber elementaren Verfassungsgrundsätzen in den Publikationen des Compact-Magazins (BVerwG, Beschl. v. 14.08.2024 – 6 A 4.24 –, Rn. 33). Doch dies reichte dem Gericht nicht, um das Tatbestandsmerkmal des „Sichrichtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung“ als zweifelsfrei verwirklicht anzusehen. Es äußerte insbesondere Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen (Rn. 26).

Dem Verhältnismäßigkeitsgebot versucht das BVerwG bei der Prüfung des Tatbestandes von Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 S. 1 VereinsG Rechnung zu tragen, indem es in ständiger Rechtsprechung fordert, die verfassungsfeindlichen Aktivitäten müssten derart prägend sein, dass mildere Maßnahmen keinen effektiven Schutz versprechen (Rn. 27). Davon zeigte sich das BVerwG nun nicht überzeugt. Das Magazin publiziere neben völkisch-nationalistischen und aggressiv-kämpferischen Inhalten auch Schwerpunkte zu allgemeinen Themen wie „Dossier“ oder „Leben“, beinhalte Filmkritiken, Buchbesprechungen und Portraits von Personen der Zeitgeschichte. Mithin ergebe eine sich bei wertender Betrachtung kein eindeutiges Bild darüber, ob die verfassungsfeindlichen Inhalte für die Organisation wirklich prägend seien (Rn. 43).

Bemerkenswert ist, dass das BVerwG im Rahmen der materiellen Verbotsprüfung weiterhin allein Art. 9 GG als Prüfungsmaßstab anwendet (Rn. 28). Zwar betont das Gericht, es berücksichtige die Wertungen der Meinungs- und Pressefreiheit und möchte etwa den Grundsatz der meinungsfreundlichen Auslegung auch auf die Prüfung von Art. 9 Abs. 2 GG anwenden (Rn. 31); doch findet eine tiefere Auseinandersetzung mit der Dogmatik des Art. 5 Abs. 1 GG abseits von einer bloßen Widergabe der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Rn. 29) nicht statt. Die Inhalte des Compact-Magazins werden in der Hauptsache unter die dem Vereinsrecht entstammenden Begriffe der aggressiv-kämpferischen Ausrichtung und der Prägung subsumiert. Eine Bezugnahme auf die Dogmatik der Pressefreiheit sucht man in den entscheidenden Ausführungen des BVerwG vergeblich (vgl. Rn. 32 ff.; zur Dogmatik der Rechtfertigungsprüfung i.R.d. Art. 5 Abs. 1 GG siehe Dreier GG/Kaiser, 4. Aufl. 2023, GG Art. 5 Abs. 1 Rn. 145 ff).

Besonderes Gewicht weist das Gericht der Pressefreiheit erst bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen an der Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung der Verbotsverfügung zu. Das besondere Interesse des Presseunternehmens sei im Lichte von Art. 5 Abs. 1 GG höher zu bewerten als das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung des Verbotes (Rn. 47). Im Hauptsacheverfahren wird es auf eine solche Interessenabwägung freilich nicht mehr ankommen.

Fazit

Das BVerwG misst in seiner Eilentscheidung zum Compact Verbot der Freiheit der Presse ein im Ergebnis höhere Gewicht als dem Interesse am Verbot des Compact-Verlages. Es bekräftigt jedoch zugleich die Möglichkeit eines Presseverbots über das Vereinsrecht. Es bleibt abzuwarten, ob das BVerwG seine Maßstäbe im Hauptsacheverfahren noch einmal konkretisieren wird und ob auch das BVerfG noch Gelegenheit bekommt, sich zum Verhältnis von Vereinigungs- und Pressefreiheit zu äußern. Die nun einstweilen vom BVerwG aufgestellten Grundsätze lassen eine vertiefte Auseinandersetzung mit dieser Frage vermissen.

Rechtsanwältin Charlotte Gaschke              Jöran Jacob